Grundsätzliches (2020-10-07)
Es gibt einige überlegungen, das CO2, das in unserer Atmosphäre ist, zu reduzieren. Hier ein kürzlich im Spiegel - Online erschiener Artikel über eine englische Firma.
http://www.spiegel.de/wissenschaft/technik/negative-emissionen-firma-nimmt-co2-fanganlage-in-betrieb-a-1252337.html
Das Verfahren befindet sich noch in einer gewissen Pilotphase. Scheint aber vielversprechend.
2020-02 Max-Planck-Forschung:
Eine hochinteressante Art, das CO2 aus der Atmosphäre zu holen - hier ein neuer Zugang mit Hilfe von Fotosynthese. Der Wirkungsgrad soll besser sein als bei natürlichen Pflanzen. Das Verfahren soll auch in der Lage sein, spezielle Materialien zu erzeugen. Leider noch "Labormuster".
Fotosynthese im Tropfen
Pflanzen beherrschen sie bereits seit Jahrmillionen, Menschen möglicherweise bald ebenfalls: die Fotosynthese, also die Umwandlung von Kohlendioxid in nutzbare Kohlenstoffverbindungen mithilfe von Sonnenenergie. Im Rahmen des interdisziplinären Forschungsnetzwerks MaxSynBio haben Forschende des Instituts für terrestrische Mikrobiologie in Marburg nun winzige Kompartimente entwickelt, in denen – ähnlich wie in den natürlichen Chloroplasten der Pflanzen – Sonnenenergie in chemische Energie umgewandelt wird. Dafür haben sie zunächst die Chloroplasten-Membran aus Spinatpflanzen isoliert und den darauf befindlichen Fotosyntheseapparat, der die Energie des Lichts in chemische Energie umwandelt, mit einem selbst entwickelten Reaktionsweg gekoppelt.
Dieser aus 18 Enzymen bestehende CETCh-Zyklus nutzt die Energie, um aus Kohlendioxid Kohlenhydrate aufzubauen, und zwar effizienter als die natürliche Fotosynthese. Zusammen mit Kollegen aus Frankreich ha-ben die Max-Planck-Wissenschaftler eine Methode entwickelt, mit der sie ihren Stoffwechselweg in winzige Tropfen einschließen können. Auf diese Weise können sie Tausende standardisierter Kompartimente produzieren oder einzelne Tröpfchen individuell mit unterschiedlichen Eigenschaften versehen. Schon jetzt binden die künstlichen Chloroplasten Kohlendioxid 100-mal schneller als bisherige Systeme. Ein weiterer Vorteil: Diese Chloroplasten beschränken sich ausschließlich auf die Komponenten, die für den Ablauf der Fotosynthese unbedingt notwendig sind. Gleichzeitig sind sie aber nicht auf Enzyme aus der Natur angewiesen. Mit den neuen künstlichen Chloroplasten können die Forschenden also künftig Reaktionswege testen, die in der Natur nicht vorkommen. Solche lebensechten Systeme sollen in vielen technischen Bereichen angewendet werden, um nahezu beliebige Stoffe zu produzieren – zum Beispiel in der Materialforschung, der Biotechnologie und der Medizin. Außerdem könnten sie dazu beitragen, das Kohlendioxid in der Luft zu nutzen und das Treibhausgas als Rohstoffquelle der Zukunft zu erschließen.
Halbsynthetische Chloroplasten: Die 0,1 Millimeter großen Tröpfchen enthalten die Membranen natürlicher Chloroplasten. Zusammen mit einem künstlichen Stoffwechselzyklus können sie mittels Sonnenenergie Kohlendioxid fixieren.
Der CECTH-Zyklus
22.11.2016
Mit künstlicher Fotosynthese CO2 effizient binden
Das Treibhausgas Kohlendioxid könnte sich künftig mit einem neuen biologischen Mittel aus der Atmosphäre entfernen lassen. Denn ein Team um Tobias Erb, Leiter einer Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg hat nach dem Vorbild der Fotosynthese einen künstlichen, aber komplett biologischen Stoffwechselweg entwickelt, der Kohlendioxid aus der Luft mit 20 Prozent höherer Effizienz bindet, als das Pflanzen fotosynthetisch schaffen. Die Forscher haben das neue System, das sie in dieser Woche im Wissenschaftsmagazin Science vorstellen, zunächst am Reißbrett geplant - und dann im Labor in die Realität umgesetzt.Eine der drängendsten Herausforderungen unserer Zeit ist der
Klimawandel. Seit Beginn der industriellen Revolution ist die
Konzentration an Kohlendioxid in der Luft durch den Menschen stetig
angestiegen. Diese Zunahme heizt nach aller wissenschaftlichen
Erkenntnis den Treibhauseffekt an und verändert das Klima. Die
Konsequenzen sind bereits spürbar. Um die ökologische, aber auch soziale
Herausforderung des Klimawandels zu meistern, "müssen wir also neue
Wege finden, um das überschüssige CO2 nachhaltig aus der Luft
zu entfernen und in etwas Nützliches umzuwandeln", betont Erb, der im
Marburger Max-Planck-Institut eine Nachwuchsgruppe leitet.
Theoretisch könnte man das Problem mit einer höheren land- und
forstwirtschaftlichen Produktivität angehen. Denn Pflanzen fixieren über
die Fotosynthese Kohlendioxid aus der Luft. Aus dem CO2
produzieren sie über einen schrittweisen Prozess, den sogenannten
Calvin-Zyklus, Zucker für ihre Ernährung. Jeder einzelne biochemische
Schritt hin zum Zucker wird von einem eigenen Enzym angestoßen
beziehungsweise beschleunigt. Die verschiedenen Biokatalysatoren sind
dabei genau aufeinander abgestimmt, damit sie zusammenarbeiten können.
Doch es gibt ein Problem: Das CO2-bindende Enzym des
Calvin-Zyklus in Pflanzen, in Fachkreisen RuBisCo genannt, ist
vergleichsweise langsam. Außerdem irrt es sich häufig: Bei jeder fünften
Reaktion schnappt sich RuBisCo statt eines CO2- ein Sauerstoffmolekül.
Ein Bakterien-Enzym bindet CO2 fehlerfrei und mit Turbo
"Da gibt es in der Natur CO2-fixierende
Enzyme ganz anderer Qualität", betont Erb. Solche Enzyme, die schneller
und effizienter sind als die RuBisCo in Pflanzen, arbeiten
natürlicherweise im Stoffwechsel von Mikroorganismen. Eines dieser
Enzyme, mit dem unaussprechlichen Namen "Crotonyl-CoA
Carboxylase/Reductase", hat Erb selbst aus einem Bakterium isoliert.
Dieses Enzym irrt sich so gut wie nie - und arbeitet zudem gewissermaßen
mit einem Turbo, denn es funktioniert zwanzigmal schneller als sein
Gegenstück aus der Pflanzenwelt.
Noch in seiner Zeit an der ETH Zürich begannen Erb und sein Team darüber
nachzudenken, wie man das Turbo-Enzym nutzen könnte, um damit CO2
in organische Kohlenstoffverbindungen umzuwandeln. Doch dafür braucht
es, wie im Calvin-Zyklus, weitere Enzyme. Diese konnten die Forscher
aber nicht einfach aus dem Calvin-Zyklus übernehmen, weil dessen
Biokatalysatoren nicht zum Turbo-Enzym passen.
Ein Stoffwechselweg mit 17 Enzymen aus neun Organismen
Daher
hat Tobias Erb zunächst theoretisch einen neuen, auf den Namen CETCH
getauften Zyklus (für Crotonyl-CoA/Ethylmalonyl-CoA/Hydroxybutyryl-CoA)
mit möglichen passenden Enzymen und sämtlichen biochemischen Reaktionen
entworfen. Aus Datenbanken mit 40.000 bekannten Enzymen hat er dann ein
paar Dutzend Kandidaten gefischt, die die geplanten Aufgaben erfüllen
könnten.
Anschließend hat Erbs Team in nur zwei Jahren sämtliche Enzyme in einem
Reagenzglas zu einem "robust funktionierenden, optimierten Zyklus"
zusammengefügt. Dabei haben die Forscher immer wieder neue
Biokatalysatoren getestet, oft gentechnisch verändert und neue
Kombinationen von Enzymen ausprobiert, um das System zu finden, indem
die Komponenten optimal zusammen arbeiten.
Am Ende stand ein künstlicher CO2-fixierender Zyklus - etwas,
das in dieser Art nach Erbs Wissen "noch niemand geschafft haben
dürfte." Beteiligt sind 17 verschiedene Enzyme, darunter drei
"Designer-Enzyme", aus neun verschiedenen Organismen bis hin zum
Menschen. Unterm Strich bindet der CETCH-Zyklus, mit dem die Marburger
Forscher die Dunkelreaktion der Fotosynthese nachahmen, CO2 mit 20 Prozent höherer Effizienz als der Calvin-Zyklus der Pflanzen.
Der CETCH-Zyklus kann verschiedene Substanzen produzieren
Der
synthetische Stoffwechselweg des Marburger Max-Planck-Teams ist somit
eine Pionierarbeit auf dem Gebiet der Synthetischen Biologie. In deren
Zuge wollen Wissenschaftler unter anderem nach biologischen Prinzipien
neue, für den Menschen nützlichen Systeme und Organismen bauen.
In Erbs Modell-Zyklus zieht seine Energie derzeit aus einer chemischen
Reaktion und nicht aus Licht wie bei der Fotosynthese der Pflanzen, und
am Ende kommt dabei die sogennante Glyoxalsäure heraus. "Der
CETCH-Zyklus", sagt der Marburger, "kann aber so verändert werden, dass
dabei zum Beispiel Rohstoffe für Biodiesel entstehen." Oder ein
Antibiotikum oder viele andere Substanzen.
Anwendung in Bakterien, Algen oder kombiniert mit Solarzellen
Für
die praktische Anwendung könnten die nötigen Gene für den Zyklus in ein
Bakterium oder eine Alge verfrachtet werden. Diese veränderten
Mikroorganismen würden dann das jeweils gewünschte Produkt herstellen -
und könnten dazu einfach das CO2 aus der Atmosphäre
verwenden. Sie würden also das atmosphärische Treibhausgas nutzbringend
umwandeln. Der CETCH-Zyklus könnte sich aber auch an Solarzellen koppeln
lassen und die Elektronen, die diese liefern, zur Umwandlung von CO2 in nützliche chemische Verbindungen verwenden.
Technisch erscheinen derlei Visionen nicht mehr unmöglich. Das
Verständnis, wie man biologische Prozesse von Grund auf neu konstruieren
kann, wird momentan innerhalb des MaxSynBio-Netzwerkes der
Max-Planck-Gesellschaft intensiv erforscht. Tobias Erb möchte seinen
Teil dazu beitragen, die grundlegenden Konstruktionsprinzipien des
Metabolismus zu verstehen. "Unsere Wissenschaft zielt darauf ab, die
Umwandlung von unbelebtem CO2 in organische Materie neu zu
erfinden. Unser Traum ist es, mithilfe von maßgeschneiderten Enzymen
einen synthetischen Metabolismus 2.0 zu erschaffen, der jede beliebige
Verbindung aus CO2 herstellen kann."
https://science.sciencemag.org/content/sci/354/6314/900.full.pdf
plus sehr detailliertes Supplementary Material:
https://science.sciencemag.org/content/sci/suppl/2016/11/16/354.6314.900.DC1/Schwander.SM.pdf
Quelle: Max-Planck-Gesellschaft
Weitere Quellen:
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